Für Privatversicherte ergibt sich der Anspruch aus dem Vertrag mit seiner Privatversicherungs-Krankenkasse. Die PKV-Versicherungen verwenden jedoch häufig die sogenannten Musterbedingungen (MB/KK). Insoweit muss immer genau überprüft werden, ob die Vertragsbedingungen mit den Musterbedingungen übereinstimmen. Anders, als in der GKV werden die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in der PKV als Versicherungsfall im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK betrachtet, nämlich als die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit. Der Kostenanspruch richtet sich daher nach den allgemeinen Regeln für die PKV-Inanspruchnahme. Ein wichtiger Unterschied zwischen PKV und GKV ist, dass der privat versicherte Patient selbst einen direkten Behandlungsvertrag mit dem jeweiligen Arzt schließt und persönlich zur Honorarzahlung verpflichtet ist; bei der GKV zahlt hingegen die Krankenkasse direkt an den Arzt, die Patienten müssen nichts „vorschießen“; die PKV erstattet dem Patienten hingegen die Behandlungskosten im Nachhinein – falls und soweit diese Behandlungskosten vom Krankenversicherungsvertrag umfasst sind.
Die drei zentralen Anspruchsvoraussetzungen für die Kostenübernahme sind:
a) Fortpflanzungsunfähigkeit als Krankheit
Anders, als in der GKV wird Unfruchtbarkeit von den Zivilgerichten, die für die PKV-Verträge zuständig sind, seit 1986 als Krankheit anerkannt. So definiert der Bundesgerichtshof „Krankheit” i.S.d. § 1 Absatz II MB/KK als „objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender, anomaler Körper- oder Geisteszustand”. Fortpflanzungsfähigkeit ist nach BGH-Rechtsprechung für Menschen mit Kinderwunsch eine biologisch notwendige Körperfunktion. Ist ein Versicherter organisch bedingt steril, hat er daher Anspruch auf Maßnahmen zur Behebung dieses Zustandes.
b) Medizinisch notwendige Heilbehandlung
„Heilbehandlung“ ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jede ärztliche Tätigkeit, die auf Heilung oder Linderung der betreffenden Krankheit abzielt. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung werden als „Linderung” der Fortpflanzungsunfähigkeit angesehen, da sie zwar nicht die organischen Ursachen der Kinderlosigkeit beseitigen, (dies wäre dann eine „Heilung“) aber immerhin die Krankheitsfolgen beheben, nämlich die Kinderlosigkeit. Diese zu behandelnden Krankheitsfolgen entfallen auch dann nicht, wenn man bereits Kinder hat, ob diese mit oder ohne künstliche Befruchtungsmaßnahmen gezeugt wurden, ist hierbei irrelevant. Die Kostenübernahme künstlicher Befruchtung wegen eines aktuellen Kinderwunsches kann nicht wegen bereits vorhandener Kinder abgelehnt werden.
c) Hinreichende Aussicht auf Behandlungserfolg
Auch in der PKV ist es Voraussetzung, dass die Behandlung mit einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg aus ärztlicher Sicht verbunden ist. In der PKV gibt es zwar keine festgelegten Altersgrenzen -wie in der GKV-, doch begegnet einem die Problematik des Alters auch hier – innerhalb der Voraussetzung der Erfolgsaussicht. Das Alter – insbesondere der Frau- stellt häufig einen Streitpunkt mit den PKV dar. Ist die Frau 40 Jahre oder älter, lehnen Versicherungsgesellschaften die Kostenübernahme immer wieder mit dem Argument ab, dass hinreichende Erfolgsaussichten nicht mehr bestünden.
Der BGH hat 2005 einer solchen Argumentation der PKVen eine Absage erteilt. Eine Erfolglosigkeit dürfe nie schematisch prognostiziert werden. Würde eine PKV-Krankenkasse pauschal die Kostenübernahme unter Hinweis auf das Überschreiten des 40. Lebensjahres ablehnen, ließe dies die Streubreite unterschiedlicher Gesundheitszustände der betroffenen Menschen außer Acht. Für die Beurteilung, ob eine medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung vorliegt, käme es nicht allein auf die Auffassung des Patienten oder des behandelnden Arztes an, sondern darauf, ob diese Voraussetzung nach objektiven medizinischen Befunden im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung festzustellen ist. Gegebenenfalls muss dies durch einen gerichtlichen Sachverständigen geklärt werden, was allerdings die Kosten eines Prozesses erhöht. Diese objektiven Befunde als Basis der Erfolgsaussicht dienen wiederum als statistisches Material, neben Befunden aus Studien oder ärztlichem Erfahrungswissen über die Erfolgsaussichten in Abhängigkeit vom Alter. Insoweit werden die PKVen dieses Argument weiterhin verwenden, nach dem BGH-Urteil werden sie sich jedoch in der Beurteilung des Einzelfalles eventuell mehr Mühe geben.
Immerhin hat der BGH den Wahrscheinlichkeitsgrad, mit der der Erfolg prognostisch eintreten soll, eher niedrig angesetzt: Der Erfolg muss nicht sicher vorhersehbar sein; es muss aus ärztlicher Sicht lediglich vertretbar sein, den Erfolg zu prognostizieren. Welche Faktoren die Prognose der Erfolgswahrscheinlichkeit beeinflussen, ist daher auch sehr fallabhängig. Ob bereits eine frühere IVF/ICSI-Behandlung erfolgreich war oder nicht, kann z.B. eine Rolle spielen.
d) Leistungsumfang
Der privat Versicherte erhält die vollen Kosten übernommen gem. § 1 Absatz I MB/KK. Erstattungsfähig sind nach BGH-Rechtsprechung – anders als in der GKV – auch sog. „extrakorporale” Maßnahmen. Ist der Mann z.B. steril und damit Verursacher im Sinne der PKV, werden auch die Kosten für die IVF-Maßnahmen, welche an der Frau bzw. im Reagenzglas erfolgen, übernommen. In-vitro-Fertilisation und Intracytoplasmatische-Spermien-Injektion gehören als „eine auf das Krankheitsbild des Versicherten abgestimmte Gesamtbehandlung” zusammen und sind damit nach BGH-Rechtsprechung beide zu übernehmen.
Die früher angenommene Höchstbelastungsgrenze zum Schutz der PKVen, die die Rechtsprechung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben des § 242 BGB abgeleitet hat, ist seit 2005 nicht mehr so relevant wie zuvor. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse der Versicherungsnehmer bei der Inanspruchnahme dieser „besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen” Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen. So bestätigt der BGH die Belastungsgrenze zwar im Prinzip, denn ganz unverhältnismäßige Kosten brauche die PKV daher nicht zu erstatten. Andererseits sieht der BGH aber das Interesse der PKVen, sich vor finanzieller Überforderung zu schützen, bereits durch das Erfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht bereits ausreichend geschützt, so dass er die Figur der Höchstbelastungsgrenze auf Sonderfälle beschränkt hat. Eine finanzielle Überforderung der PKVen durch zu viele Wiederholungen sei bereits dadurch ausgeschlossen, da eine Häufung erfolgloser Behandlungszyklen zwangsläufig die individuelle Erfolgsprognose für weitere Behandlungen negativ beeinflusst und den Anspruch an sich entfallen lässt. Der BGH hat auch keine konkrete Summe genannt, ab der von einer unzumutbaren Kostenerstattungshöhe auszugehen ist.
Das Urteil des BGH ist daher eine gute Nachricht für alle privat Versicherten mit Kinderwunsch, da die Argumentation mit einer Höchstbelastungsgrenze die Ablehnung der Kostenübernahme nur noch in wenigen Einzelfällen tragen wird, insbesondere wenn eine medizinische Erfolgsaussicht besteht.